Meister von Licht und Schatten

Das Lenbachhaus in München erinnert an das Werk des Filmkünstlers F. W. Murnau und seine 21 Filme, die zwischen 1919 und 1930 unter seiner Regie in Deutschland, USA und Tahiti entstanden sind: der große Regisseur der Stummfilmzeit wird hier auf ungewöhnliche Weise neu entdeckt. Da die Möglichkeiten von Museumsräumen den Rahmen einer einheitlichen filmischen Retrospektive sprengen, wird die Ausstellung von einem ausführlichen Programm im Filmmuseum begleitet, das alle bis heute erhaltenen Filme Murnaus zeigt. Um das Œuvre Murnaus auf musealer Ebene lebendig werden zu lassen, setzten sich Filmemacher wie Alexander Kluge, Ulrike Ottinger, Evan Johnson, Luc Lagier sowie Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in Essays mit je einem Film des Avantgardisten der Kinokunst auf eigenwillige Art auseinander. Mit seinem bekanntesten und erstem klassischen Werk Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens schuf Murnau das Urbild aller Vampir-Filme, gedreht nach Bram Stokers Roman Dracula. Meisterhaft erscheint bis in unsere Zeit Murnaus psychologische Bildführung, für die er seine „entfesselte Kamera“ erfand: Diese bewegte sich frei im Raum, war auf einem Fahrrad oder in einem Korb installiert, der durch die Luft pendelte. Diese Technik ebnete dem Meister von Licht und Schatten den Weg nach Hollywood…

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DIE STEINSCHLEUDER (SAPAN)
Tief bin ich durch eure Schande gewatet
Mein verfluchtes Schandmaul
Spazierte allzu lange in euren Körpern
War es denn harmlos, ist der Mond in euch versunken
Dabei ließ ich den Faden lang für eure Nadel
Waren es Blätter, die ich ständig in euch schwanken ließ
War es zum Trost, dass ich Silber auf euch geschüttet
Solange ich mich erinnere, bin ich in eurem Sand
versunken
Lange verweilte ich in eurer Spaßwelt
Meine verdammten Wünsche waren
Nur schwer zu fassen für euch Hohlköpfe
Hing wohl ein Zweig herunter, rankte eine Rose sich zu
eurem Gesicht
Dabei habe ich die Pferde herabgeführt in eure Ebene
Waren es Geliebte, Wunden, die ich ständig in euch
zittern ließ
Oder das Verlangen, euch in die Haut zu kneifen
Solange ich mich erinnere, war ich ein Vogel für eure
Steinschleuder

übersetzt von Barbara Yurtdas

Gonca Özmen* 1982 in Tefenni/Burdur, Türkei. Studium der Anglistik, Promotion. Sie hat bisher drei Gedichtbände veröffentlicht, zuletzt: The Seaside Within, Verlag Shearsman, UK, 2011. Vielfach ausgezeichnet mit Preisen und Stipendien. Ihre Texte wurden ins Englische, Deutsche, Französische, Spanische, Slowenische, Rumänische, Persische, Griechische und Iwrit übersetzt. Sie ist Mitherausgeberin mehrerer türkischer Literaturzeitschriften und war an Übersetzungsprojekten beteiligt. – Das hier abgedruckte Gedicht las Gonca Özmen während des Schamrock Festivals in München, Ende 2016. Weitere Beispiele der dort vorgetragenen Lyrik von insgesamt 50 internationalen Teilnehmerinnen finden Sie in der CULT-Ausgabe 1/2017.

„Ich bin eine Kämpferin“

Sie hat ein faszinierendes Werk hinterlassen, dessen Einfalls- und Abwechslungsreichtum seinesgleichen sucht. Eine Ausstellung im Museum Ostwall im Dortmunder U widmet sich den facettenreichen Frauenbildern der international bekannten franko-amerikanischen Künstlerin Niki de Saint Phalle (bis 23. April). Ausgehend von frühen Familienbildern spannt sich der Bogen von mehr als 100 Exponaten über Assemblagen und Schießbildern bis zu den Bräuten, Gebärenden, Verschlingenden Müttern und den überlebensgroßen üppigen Nanas. Im Leben der geborenen Catherine Marie-Agnès Comtesse Fal de Saint Phalle (1930-2002) gab es keine Trennung zwischen ihrem radikalen Werk und ihrer Person: Jeder neue Lebensabschnitt war durch ausgeprägte Stilwechsel in ihrem künstlerischen Schaffen gekennzeichnet. In den frühen Assemblagen und Schießbildern setzte sie sich als Niki de Saint Phalle, die hauptsächlich in den USA aufwuchs, mit den politischen Konflikten und den tradierten Rollenklischees der Frauen ihrer Zeit auseinander. In einem ihrer frühen Textbilder verewigt sie sich mit den Worten: „Ich bringe meine Wünsche, Gefühle und Widersprüche dem Leben entgegen, meine Sehnsüchte, meine vergessenen Erinnerungen, Schatten und Visionen eines anderen Ortes. Ich arbeite im Dunkel eines geheimen Tunnels, suche immer nach der Sonne, verstecke mich vor dem Mond und huldige den Sternen. Wo bist Du?“…

Eröffnung der Elbphilharmonie

Nach fast zehn Jahren Bauzeit ist Hamburgs neues Wahrzeichen, die wie ein Ozeanriese auf dem Kaispeicher gestrandete Elbphilharmonie, mit einem furiosen Konzert im Januar eröffnet worden. Dieses Ereignis thematisiert auch die Ausstellung „Elbphilharmonie Revisited“ in Kooperation mit den Architekten Jaques Herzog & Pierre de Meuron in den Deichtorhallen der Hansestadt (bis 1. Mai). Wer nicht einen der bis zu maximal 30 Meter vom Dirigenten entfernten Plätze im Großen Saal der Elbphilharmonie frühzeitig ergattert hatte, konnte das Spektakel unter dem Titel „Zum Raum wird hier die Zeit“ mit Chefdirigent Thomas Hengelbrock, dem NDR-Sinfonieorchester, dem Chor des Bayerischen Rundfunks und einer Riege hochkarätiger Solisten in einem 360°-Livestream im Internet erleben: Eine Überraschung ist die Auswahl der Stücke mit einer breit gefächerten Musik aus vier Jahrhunderten. Zunächst ertönt nur eine einzelne Oboe, nicht aus der Mitte des Saales, sondern von der Empore aus. Erst nach ein paar Minuten antwortet das Orchester mit Werken von Henri Dutilleux, Bernd Alois Zimmermann und Olivier Messiaen. Immer wieder erklingt die Musik von unerwarteten Orten, etwa, wenn Countertenor Philippe Jaroussky aus der oberen Empore die Arie dalle piú alte sfere singt (aus den höchsten Sphären komme ich zu euch)…