Auf dem Deich von Ostende stehen seit diesen Sommer ungewöhnlich fremdartige Objekte, die an ramponierte, vom tosenden Meer angespülte Container erinnern. Ihre weithin leuchtende Farbe markiert die flämische Küste als Hot Spot von Beaufort, der Triennale für Gegenwartskunst am Meer. Der Skulpturenpark , gestaltet von inzwischen 20 europäischen Künstlern, lockt zum vierten Mal internationale Besucher an Belgiens Nordseeküste. Der bekannte flämische Künstler Arne Quinze schuf sogenannte „Rock Strangers“ als bleibendes Monument. Wir sprachen mit ihm über seine Ideen und deren Modelle, die in den Venezianischen Galerien von Ostende zu sehen sind: ? Was beabsichtigen Sie mit Ihrem neuesten Kunstwerk? – ! Quinze: Wir leben in einer scheinbar sicheren Welt. Menschen neigen dazu, sich vor fremden Einflüssen und Elementen zu schützen und umgeben deshalb ihre Häuser mit Zäunen und Mauern. Ich war neugierig, wie Menschen auf ihnen fremde Dinge wie z.B. die „Rock Strangers“ reagieren – vielleicht ähnlich dem Augenblick, wenn sie morgens aufwachen und in ihrem sicheren Garten ein fremdes Objekt vorfinden. Wie nähern wir uns diesen felsigen Fremden? Es geht mir hier nicht nur um den künstlerischen Anspruch, sondern auch um Provokation von Kommunikation und sozialer Interaktion….
Archiv der Kategorie: Ausgabe 3 | 2012
Elliott Erwitts humorvoller Blick
Mein Leben ist schon kompliziert genug, deswegen konzentriere ich mich bei meinen Bildern lieber auf Schwarz-Weiß, erklärt der 1928 als Sohn russischer Einwanderer in Paris geborene Elliott Erwitt. Er ist in Italien und den USA aufgewachsen, hat als junger Mann in Deutschland und Frankreich gelebt und ist für Aufträge in die ganze Welt gereist. Aber er fotografierte auch immer für sich selbst: Straßenszenen, bekleidete oder nackte Menschen – und Hunde. Erwitt hat ein besonderes Verhältnis zu Hunden. Er bellt sie an und fotografiert sie gerne in Situationen, die das „Menschliche“ des liebsten Begleiters des Menschen deutlich und zugleich den „Hund im Menschen“ sichtbar machen…
Sprühende StreetArt
In New York der 1970er Jahre beginnt der Siegeszug der Graffiti-Kunst. Ein griechischer Kurier hinterlässt auf seinen Botengängen das Pseudonym „Taki 183“ auf den Wänden der ganzen Stadt – er gilt als Urvater der modernen Wandmalerei. In Deutschland schlägt die Stunde der Graffiti-Kunst 1983. In München formiert sich in jenem Jahr die erste deutsche Szene, die Mathias Köhler alias Loomit maßgeblich mitgestaltet hat. Mit dem Projekt „Isart“ ermöglicht München den Fassadenkünstlern seit einigen Jahren eine Plattform unter der Brudermühl-Brücke. Einmal jährlich wird dem Unterbau an der Isar so ein neues Gesicht verliehen. .. Beteiligt waren diesmal 20 Künstler mit dem Focus auf die Münchner Szene. Joerg und Michael von der Künstlergruppe Graphism sowie Solosprayer Kurls haben sich ein ganz besonders Motiv ausgedacht: Das wackelige „Euro-Boot“ mit Angela Merkel am Steuer: „Sie gibt alles, um das Schiff sicher durch die Stürme auf den Märkten zu manövrieren, während die Finanz-Haie drum herum lauern“…
Indianische Moderne
Das Ethnologische Museum in Berlin-Dahlem bietet die seltene Chance, eine umfassende Schau mit Gemälden und Skulpturen indianischer Kunst zu sehen, die sich parallel zur „weißen“ anglo-amerikanischen Kunst entwickelt hat…. Auf sozial-politische Themen wie Umweltzerstörung, Landraub und Prostitution konzentriert sich zum Beispiel Lawrence B. Paul, der zu den bekanntesten Künstlern aus Kanada, B.C., gehört. Sein Pseudonym „Yuxweluptun“ in Salish bedeutet „Mann der vielen Masken“. Er ist überzeugt davon, dass die indianische Urbevölkerung noch immer Anspruch auf ihr Land hat, und er macht den amerikanisch-kanadischen Kolonialismus direkt verantwortlich für das Töten von Wölfen, Büffeln, Grislybären und Zugvögeln, die zum Teil im Aussterben begriffen sind – wie er auch die Ausbeutung des Fischfangs, den sauren Regen, den Atommüll und nukleare Testprogramme, die Luftverschmutzung, die Emission von Methangas und den Giftmüll aller Art anprangert…
Gefühlsechte Kunst?
Was können wir sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken? Gibt es fünf Sinne oder noch einen sechsten? Oder gar zwölf wie Anthroposophen glauben? Und wie nehmen wir Kunst wahr? Mit den Augen und den Ohren, aber kaum mit der Nase und schon gar nicht durch Schmecken. Und Anfassen ist zumindest in den meisten Museen tabu. Die Sonderschau „Von Sinnen“ in der Kunsthalle Kiel widmet sich der Frage, inwieweit die sinnliche Erfahrung einen eigenen künstlerischen Wert darstellt und erlebbar ist… So hat etwa der Wiener Künstler Heribert Friedl mit Silhouetten von Baumstämmen an den Wänden des größten Raums einen olfaktorischen „Forest“ kreiert – Walddüfte, die sich durch Kratzen entfalten und an den einstmals begrünten Ort, auf dem heute die Kunsthalle steht, erinnern…Verführerischer ist das Depot „Ausschnitt“ von Sonja Alhäuser. Von ihren süßen Riesenpralinen aus Schokolade, Marzipan, Popcorn, Buttermilch und weiteren Zutaten darf jeder kosten, sogar von der täuschend echten Bordüre….
Quo vadis Kunst?
Wie lebt es sich von der Kunst? – Existentielle Gedanken, die nicht die Prominenz, wohl aber die Mehrheit der Kunstschaffenden betreffen. Wir fragten einige zufällig ausgewählte Künstler nach ihrer Sicht auf das Metier. Begonnen hat unsere Erkundung mit jenen, die überwiegend auf Leinwand bzw. Papier arbeiten. Könnte es sein, dass auch und gerade die Auseinandersetzung mit diesem scheinbar konservativen Material allgemein längst verworfene Keime einer Avantgarde trägt: das präzisere Sehen, das Entdecken? – Unsere Fragen gingen so weit natürlich nicht, in einer Zeit, da die beschreibenden Begriffe oft zu Metaphern ausgehöhlt scheinen – und die merkantilen Versprechen des Neuartigen ebenso oft abgenutzt, von Beginn an als gealtert erscheinen. – Wir fragten: Was bewirken oder verdrängen die vielen einander teils nivellierenden Kunstinszenierungen, wie wirken sie auf die strategischen Möglichkeiten des einzelnen Künstlers ein? Und dann die alte, schon wieder neue Frage: Kann Kunst gesellschaftskritische Anliegen transportieren, die nicht aus ihr selbst, ihrem virtuellen Raum kommen, sondern ihr oktroyiert werden? Was bewegt dieser erweiterte Kunstanspruch heute noch, wenn er – wie auf der diesjährigen Documenta mit viel Zustimmung – beispielsweise Natur, Technik, Wissenschaft und Bild symbolhaft zusammenstellt? …
Ein Wüstenwanderer erzählt
Zu Fuß und mit Kamelen durchquerte der Abenteurer und Autor Achill Moser 25 Wüsten der Welt. Die geheimnisvollste aller Landschaften, die er dabei entdeckte, ist seine eigene innere Seelenlandschaft. Denn „jede Reise in die Wüste ist eine spirituelle Reise“. Im Interview erzählt er, wie und warum ihn die Wüste bewegt… und was ihn daran fasziniert: „Schon früh habe ich erfahren, dass man in solchen Regionen einen unglaublich großen Erkenntnisreichtum erlebt. Mich hat vor allem die monochrome Region, diese überschaubare Weite gereizt. Ich mag dieses „Reduziert-sein“. Deshalb suchte ich schon als junger Mensch nach anderen Lebensweisen, die möglicherweise für mich die richtigeren wären… „