Über nackte Haut regt sich heute keiner mehr auf, könnte man meinen. Auch nicht im Museum, wo die gezeigten Nackten meist Frauen sind. Doch wenn Männer alle Hüllen fallen lassen? Anders als die überlebensgroße, begehbare Skulptur „Mr. Big“ vor den Toren des Wiener Leopold Museums, das vom Publikum vielfach in Besitz genommen wurde, verursachte das Plakat zur Ausstellung „Nackte Männer“ gewaltigen Aufruhr. Die explizite Darstellung von drei nackten Fußballern aus der subversiven Kitschfabrik von Pierre & Gilles mussten die Macher deshalb überkleben. Eine Publicity-trächtige Aktion mit der Botschaft: Wer „alles“ sehen will, muss ins Museum. So eine Schau nackter Männer hat es bisher noch nicht gegeben. Gleich zwei österreichische Museen holten die „Nackerten“ aus ihren Depots und aus privaten Sammlungen. Erst seit mehr als 100 Jahren gibt es in der Bildenden Kunst Werke, worauf sich die Herren in voller Pracht präsentieren. In einem groß angelegten Bogen über zwei Jahrhunderte thematisiert die Wiener Ausstellung unterschiedliche künstlerische Zugänge, konkurrierende Männlichkeitsmodelle und den Wandel von Körper-, Schönheits- und Wertvorstellungen. Was passierte jedoch, als der Blick des Malers vom nackten Vis-à-Vis zum entblößten Ich weiterwanderte und im Künstlerselbstakt ein Fanal der Moderne entstand? In Wien geben Egon Schieles tabulose Selbstbespiegelungen eine Antwort darauf. – Die Ausstellung in Linz beleuchtet dagegen mit ihrer Retrospektive des nackten Mannes im 20. und 21. Jahrhundert dessen Krisen der Identität und Phasen der Souveränität. Sie spürt Versuche der Dekonstruktion von traditionellen Männlichkeitsbildern und die Suche nach Alternativen auf. Sie zeigt die Auseinandersetzung mit Schwäche und Verletzlichkeit, schildert den Blick des Begehrens und die erotische Pose.